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Gewinnausschüttung abweichend von GmbH-Satzung zulässig

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine ohne Satzungsgrundlage einstimmig beschlossene inkongruente Vorabgewinnausschüttung zivilrechtlich wirksam und damit der Besteuerung zugrunde zu legen ist (Urteil v. 28.9.2022 – BFH VIII R 20/20).

Im Streitfall waren an der ausschüttenden GmbH zu 50 % der Kläger, eine natürliche Person, sowie eine weitere GmbH mit ebenfalls 50 % beteiligt, deren Alleingesellschafter wiederum der Kläger war. Die Gesellschafter der GmbH beschlossen einstimmig eine inkongruente Vorabgewinnausschüttung nur zugunsten des GmbH-Gesellschafters. Der Gesellschaftsvertrag der ausschüttenden GmbH enthielt keine Regelung zur Gewinnverteilung. Er enthielt weder eine Öffnungsklausel im Sinne des § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG, die eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Verteilung durch gesonderte Beschlussfassung im Einzelfall zuließ, noch eine Regelung, dass Entnahmen, Vorschüsse und der Jahresgewinn stets abweichend von den Beteiligungsverhältnissen zu verteilen waren.

Das Finanzamt unterwarf die hälftigen Ausschüttungsbeträge beim Kläger als Einkünfte aus verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG der Besteuerung, weil es die Ausschüttungsbeschlüsse wegen der inkongruenten Verteilung der Vorabgewinne als zivilrechtlich nichtig wertete. Eine dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (FG Münster v. 6.5.2020 – 9 K 3359/18 E, AO, (EFG) 2020, 1603). Hiergegen richtete sich die Revision des Finanzamts.

Entscheidung des Gerichts

Der VIII. Senat des BFH hat die Revision des Finanzamts gegen das zugunsten des Klägers ergangene Urteil der Vorinstanz als unbegründet zurückgewiesen. Die einstimmig gefassten Ausschüttungsbeschlüsse seien als zivilrechtlich wirksame Gewinnverwendungs- und -verteilungsbeschlüsse der Besteuerung zugrunde zu legen. Es lägen daher nur offene Gewinnausschüttungen der ausschüttenden GmbH an den GmbH-Gesellschafter und keine Ausschüttungen an den Kläger vor.

Ebenfalls komme eine Zurechnung der hälftigen Ausschüttungsbeträge beim Kläger aufgrund eines Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO nicht in Betracht. Zivilrechtlich wirksam beschlossene inkongruente Ausschüttungen seien auch steuerlich anzuerkennen.

So habe jeder Beschlussfassung über eine Vorabausschüttung ein neuer Willensentschluss der Gesellschafter zugrunde gelegen und die Wirkung des jeweiligen Beschlusses habe sich im Abfluss der Ausschüttung erschöpft. Folglich sei nicht gewollt gewesen, eine neue Satzungsregelung zu einer generell von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Gewinnverteilung zu treffen.

Praxistipp

Beschlüsse über inkongruente Vorabgewinnausschüttungen widersprechen zwar der Satzung. Sie sind aber nicht nichtig, sondern als punktuell satzungsdurchbrechende Ausschüttungsbeschlüsse mangels Anfechtbarkeit zivilrechtlich wirksam und bindend. Dabei ist zu differenzieren:

Satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse, die einen vom Regelungsinhalt der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand mit Dauerwirkung (und sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum) begründen, sind (selbst im Fall eines einstimmig gefassten Beschlusses) nichtig, wenn bei der Beschlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung (insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister gem. § 53 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1, § 54 Abs. 1 GmbHG) eingehalten werden.

Punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse, deren Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, so dass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll, sind nicht nichtig, aber bei der GmbH entsprechend § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

Bei Rückfragen zu dieser Entscheidung steht Ihnen Herr Rechtsanwalt und Notar Oliver Merleker gern zur Verfügung.