Zulässigkeit eines satirisch gefärbten Fernsehbeitrags
Der Bundesgerichtshof hat zur Zur Zulässigkeit eines satirisch gefärbten Fernsehbeitrags über das Streitgespräch eines Journalisten mit einer Teilnehmerin an einer Mahnwache im Hinblick auf das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort entschieden.
Die Klägerin nimmt die beklagte Rundfunkanstalt auf Unterlassung der erneuten Ausstrahlung einer Fernsehsendung in Anspruch, in deren Verlauf sie in einem Streitgespräch mit einem Journalisten und Protagonisten der Sendung zu sehen und zu hören ist.
Die ARD strahlte am 21. November 2010 die dritte Folge einer fünfteiligen Sendung "Entweder Broder - Die Deutschland-Safari" aus, eine Koproduktion verschiedener Rundfunkanstalten innerhalb der ARD, darunter auch der Beklagten, bei der die Produktionsleitung lag. Die Sendereihe wird von der beklagten Rundfunkanstalt selbst als Mischung zwischen "Roadmovie-Doku" und gesellschaftskritischer Satire gesehen. In der genannten Folge der Sendereihe tritt die Klägerin als Mitglied einer Gruppe von drei Frauen in Erscheinung, die sich als "Großmütter gegen den Krieg" bezeichnen. Sie hatten sich am Nachmittag des 24. Juni 2010 auf dem Pariser Platz in Berlin anlässlich der am 30. Mai 2010 erfolgten israelischen Marineintervention gegen die "Gaza-Solidaritätsflotte" zu einer gemeinsamen Mahnwache eingefunden. Die Klägerin erschien in der Sendung zwischen den Marken 2:00 min. bis etwa 5:30 min. mehrmals im Bild und mit Ton, wobei sie mit dem Protagonisten der Sendung, dem Journalisten Henryk M. Broder, lebhaft und kontrovers über das Anliegen der Mahnwache sowie allgemein über Fragen des Völkerrechts und der Legitimität militärischer Aktionen diskutierte.
Mit E-Mails vom 25. Juni 2010 und 29. Juni 2010 widerrief die Klägerin gegenüber der Produktionsfirma und der beklagten Rundfunkanstalt vorsorglich eine etwaige Einwilligung in Bezug auf die Aufzeichnung und Ausstrahlung der Aufnahmen. Sie hat geltend gemacht, weder ausdrücklich noch stillschweigend hierin eingewilligt zu haben. Weder Zweck, Art und Umfang der geplanten Sendung noch Herr Broder seien ihr zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt gewesen.
Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht. Danach dürften Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden. Hiervon bestehe allerdings eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gelte aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden.
Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin angegriffene Bildberichterstattung in dem Fernsehbeitrag der beklagten Rundfunkanstalt als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig. Bei den beanstandeten Filmaufnahmen mit der Klägerin handele es sich um eine Bildberichterstattung aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte sind, erfordere eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten einerseits und den Rechten der Presse andererseits. Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasse alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, insbesondere Vorgänge aus dem Bereich des politischen Meinungskampfes. Ein Informationsinteresse bestehe allerdings nicht schrankenlos, vielmehr werde der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Durch die Verbreitung dieser Aufnahmen würden berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG nicht verletzt. Auch das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin sei nicht verletzt.
11.06.2013 - VI ZR 209/12
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