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Keine Pflicht des Betreibers eines Internetmarktplatzes zur manuellen Bildkontrolle

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Betreiber eines Internetmarktplatzes, der Dritten dort die Möglichkeit eröffnet, Verkaufsangebote ohne seine Kenntnisnahme in einem vollautomatischen Verfahren einzustellen, nicht verpflichtet ist, sämtliche Verkaufsangebote, die die Marken eines Markeninhabers anführen, einer manuellen Bildkontrolle darauf zu unterziehen, ob unter den Marken von den Originalerzeugnissen abweichende Produkte angeboten werden.

Die Klägerin vertreibt den Kinderhochstuhl "Tripp Trapp". Sie ist Inhaberin der für Möbel eingetragenen Wortmarken "TRIPP TRAPP", "STOKKE" sowie der
Gemeinschaftsmarke "TRIP TRAP". Die Beklagte betreibt im Internet unter www.ebay.de eine Plattform, auf der Privatleute und Gewerbetreibende gegen
Entgelt Waren zur Versteigerung oder zum Kauf zu einem Festpreis anbieten
können. Voraussetzung für das Anbieten oder den Erwerb ist eine elektronische Registrierung als Mitglied. Im Rahmen dieser Registrierung wird dem Mitglied ein Nutzername zugewiesen, unter dem er auf der Internetplattform auftreten kann.
Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay werden die Verträge über
die auf ihrem Online-Marktplatz angebotenen Artikel ausschließlich zwischen
den Mitgliedern abgeschlossen. Zudem sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay ein Verbot vor, Artikel anzubieten, durch die gewerbliche Schutzrechte verletzt werden. Zur Verhinderung rechtsverletzender Angebote führt eBay Stichprobenkontrollen durch und setzt Schlagwortfilter ein, die die Angebote der Nutzer mit Suchbegriffen vergleichen. Sie stellt Inhabern von Schutzrechten ein Programm zur Verfügung, mit dem diese nach rechtsverletzenden Angeboten auf der Internetplattform eBay suchen und diese melden können. Den Teilnehmern an
dieser als VeRI-Programm bezeichneten Suchoption gibt eBay die Daten der
Mitglieder heraus, die mit ihren Angeboten Schutzrechte verletzen. Auf der Internetplattform boten eBay-Mitglieder unter Verwendung der Klagemarken Kinderhochstühle an, die nicht von der Klägerin stammten, oder warben für die Fremdfabrikate mit den Formulierungen "wie Stokke", "wie Tripp Trapp", "wie Trip Trap", "ähnlich Stokke", "ähnlich Tripp Trapp" oder "ähnlich Trip Trap".
Die Klägerin beanstandete zunächst im Rahmen des VeRI-Programms eine Vielzahl derartiger Angebote als rechtsverletzend und mahnte eBay ab. Die Parteien streiten u.a.. darüber, ob eine Bilderkennungssoftware verfügbar ist oder jedenfalls entwickelt werden könnte, die mit dem von der Klägerin vertriebenen Kinderhochstuhl nicht identische Fremdfabrikate erkennen kann und ob eBay verpflichtet ist darüber hinausgehende manuelle Kontrollen durchzuführen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist eBay eine manuelle Kontrolle aller die Klagemarken enthaltenden Angebote aufgrund einer Abwägung der wechselseitigen Interessen schon deshalb nicht zumutbar, weil die Klägerin mit der über das VeRI-Programm zur Verfügung gestellten Suchfunktion die Angebote mit den Klagemarken ebenfalls herausfiltern und einer manuellen Kontrolle auf Verletzungsfälle unterziehen kann. Eine eBay auferlegte manuelle Kontrolle gefährde deren Geschäftsmodell. 
Das Gericht der Vorinstanz hat festgestellt, dass die Klägerin, eBay und jeder potentielle Käufer auf der Internetplattform eBay mit der
Suchfunktion des VeRI-Programms Angebote herausfiltern kann, die die Klagemarken enthalten. Diese kann die klagenden Markeninhaberin anschließend einer manuellen Kontrolle unterziehen. Es sei schon nicht ohne weiteres einzusehen, warum eBay der Markeninhaberin eine Überprüfung von Markenverletzungen abnehmen soll, die sie als Schutzrechtsinhaberin mit gleichem Aufwand selbst bewerkstelligen kann. Zwar stelle eBay den Verkäufern mit der Internetplattform eine Möglichkeit zur Verfügung, unter der durch ein Pseudonym gewährleisteten Anonymität markenverletzende Waren anzubieten. eBay gebe aber an die Mitglieder des VeRI-Programms die Nutzerdaten heraus, wenn ein rechtsverletzendes Angebot vorliegt. Zudem erleichtere die Suchoption auf der Internetplattform eBay den Markeninhabern eine bundesweite Suche und damit ein Aufspüren von Markenverletzungen, über die sie außerhalb des Internets wegen der
Vielgestaltigkeit des realen Marktgeschehens nicht mit derart einfachen Mitteln verfügen würden. Schließlich bestehe die Gefahr, dass die geforderte manuelle Kontrolle das Geschäftsmodell von eBay in Frage stellt.
Im Fall einer Verurteilung müsste eBay auch in allen weiteren Fällen, in denen sie auf klare Rechtsverletzungen von anderen Markeninhabern hingewiesen wird, nach denselben Maßstäben eine manuelle Kontrolle aufgrund von Bildvergleichen vornehmen. Das berge die Gefahr einer ausufernden Verpflichtung zu manuellen Bildvergleichen in einer Vielzahl von Fällen, in denen in den Angeboten Produktabbildungen und Marken angeführt werden. Eine derart weitgehende Verpflichtung zu manuellen Kontrolltätigkeiten, die nicht auf durch eine Filtersoftware aufgespürte Verdachtsfälle beschränkt sind, belaste eBay in unzumutbarer Weise.

22.07.2010 - I ZR 139/08
Bundesgerichtshof: http://www.bundesgerichtshof.de"