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In Europa: Meinungsfreiheit schlägt anwaltliche Verschwiegenheitspflicht

Verletzt die Stellungnahme eines Anwalts zu einem laufenden Strafprozess gegenüber der Presse die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verneinte diese Frage in seinem Urteil vom 15. Dezember 2011 (s. Aktenzeichen 28198/09).Nachdem die 12-jährige Tochter ihrer Mandanten nach einer Hepatitis B Impfung verstorben war, beantragte die französische Anwältin Gisèle Mor die Verurteilung des Impfstoffherstellers wegen Totschlags sowie den Beitritt zum Prozess als Zivilpartei. Ein Ermittlungsverfahren wurde ebenfalls eingeleitet, in dessen Zusammenhang dem Ermittlungsgericht ein Sachverständigengutachten über die Nebenwirkungen des Impfstoffes vorgelegt wurde. Auf Wunsch ihrer Mandanten kommentierte Mor den Inhalt dieses Gutachten gegenüber der Presse. Diese kannte das Gutachten bereits und hatte darüber auch schon berichtet. Die Anwältin wurde aufgrund dieses Interviews schließlich wegen Verletzung des Verschwiegenheitsgebots und der Vertraulichkeit des Ermittlungsverfahrens in Frankreich strafrechtlich verurteilt. Hiergegen wendete sich Mor nach erfolgloser Revision mit der Rüge der Verletzung ihre Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK an den EGMR. In seinem Urteil weist der Gerichtshof auf die hohe Bedeutsamkeit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht hin, da Anwälte wegen ihrer Funktion als Vermittler zwischen der Öffentlichkeit und den Gerichten in besonderem Maße Vertrauen vermitteln müssten. Die Meinungsfreiheit dürfe jedoch nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Auch wegen des hohen öffentlichen Interesses an der ausgelösten Diskussion über die Volksgesundheit überwiege im vorliegenden Fall die Meinungsfreiheit die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. 

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