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Europäischer Gerichtshof: Kein automatischer Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende

Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Urlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in zwei Urteilen entschieden. Etwaige Ansprüche verfallen demnach nur dann, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, dass der Arbeitnehmer trotz Aufforderung und der tatsächlichen Möglichkeit Urlaub zu nehmen, freiwillig auf seinen Urlaub verzichtet habe (C-619/16; C-684/16).

Die Entscheidungen betreffen ein Grundprinzip des deutschen Bundesurlaubsgesetzes: Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Nur aus dringenden betrieblichen oder in der Person liegenden Gründen (z.B. bei Krankheit) wird der Urlaub kraft Gesetzes auf das Folgejahr übertragen. Doch auch in diesem Fall verfällt der Urlaubsanspruch spätestens zum 31.03. des Folgejahres.

 

Der EuGH hat nun in zwei Vorabentscheidungsverfahren geurteilt, dass ein automatischer Verfall von Urlaubsansprüchen gegen Europarecht verstößt: Der Arbeitgeber sei verpflichtet,„konkret und in aller Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun.“  Es sei sicherzustellen, dass „der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll." Nur wenn der Arbeitnehmer trotz Aufforderung den Urlaub nicht nehme, verfalle dieser am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums.

 

Allerdings ergibt sich aus dieser Rechtsprechung noch nicht automatisch, dass der Urlaubsanspruch verfällt, wenn eine solche Aufforderung und Belehrung stattgefunden hat. Dies wäre nur der Fall, wenn die deutsche Norm europarechtskonform ausgelegt werden kann und diese zusätzlichen Verfallsvoraussetzungen somit in die Vorschrift hineingelesen werden dürfen. Wäre dies nicht der Fall, so sind die Verfallregelungen im Bundesurlaubsgesetz unwirksam. Über die Möglichkeit der europarechtskonformen Auslegung muss nun das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Im Lichte dessen bisheriger Rechtsprechung ist es jedoch wahrscheinlich, dass das Gericht die europarechtskonforme Auslegung zulässt.

 

Praxishinweise:

  • Arbeitnehmer müssen durch den Arbeitgeber mit einigem zeitlichen Vorlauf vor Jahresende förmlich aufgefordert werden, ihren Resturlaub zu nehmen und gleichzeitig über die Möglichkeit eines Verfalles belehrt werden.
  • Zwingend gilt die Rechtsprechung des EuGH nur für den gesetzlichen (§ 3 BUrlG) und europarechtlichen (vgl. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG) Mindesturlaub von vier Wochen (d.h. bei von 20 Tagen bei Mitarbeitern, die in einer 5-Tage-Woche beschäftigt sind). Auf den darüber hinaus gehenden vertraglichen Mehrurlaub dürfte die Rechtsprechung nur dann übertragbar sein, wenn arbeitsvertraglich oder in einer Betriebsvereinbarung keine andere Regelung getroffen ist. Der Arbeitgeber sollte deshalb im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung regeln, dass der vertragliche Mehrurlaub gleichwohl verfällt. Am Jahresende bleibt aber im Regelfall nur vertraglicher Mehrurlaub übrig, da genommener Urlaub zuerst auf den gesetzlichen Urlaub angerechnet wird. Der Arbeitgeber kann somit den weitgehenden Verfall von Urlaubsansprüchen sicherstellen.

 

Bei Fragen über die Folgen dieser Rechtsprechung steht ihnen gerne Herr Rechtsanwalt Alexander Günzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, zur Verfügung.

 

Urteil des Gerichtshofs vom 06.11.2018 in der Sache C-619/16

 

Urteil des Gerichtshofs vom 06.11.2018 in der Sache C-684/16